Weiße Flocken umschwirrten letzte Nacht die Straßenlampen und glühten für einen Moment natriumgelb auf, bevor sie ihren Weg zum Boden fortsetzten und von den nachfolgenden Schneeflocken verdrängt wurden. Ich genoss die stille Kälte, die sie auf der Haut meines Gesichts hinterließen, während ich meinerseits den Weg fortsetzte, den ich genommen hatte, nach Hause.
Kälte ist für mich nichts Unangenehmes, weil meine Körpertemperatur einige Grade niedriger ist als die der Menschen. So ist der Temperaturunterschied zwischen Umgebung und meinem Körper nicht so groß, ich benötige weniger Energie, um meine Körpertemperatur aufrechtzuerhalten und ... friere nicht so schnell. Was im Winter schön ist, ist im Sommer unangenehm, denn da komme ich leichter ins Schwitzen.
Für Madame ist das nicht so gut, denn ihrer Meinung nach könnte es wenigstens in meinem Wohnzimmer etwas wärmer sein. Als ich meine Wohnung betrat, lag die Katze langgestreckt auf dem Fensterbrett, das vom darunter stehenden Heizkörper mehr schlecht als recht erwärmt wurde, und sah nach draußen. Ihr Kopf zuckte hin und her beim Versuch, jede einzelne Schneeflocke mit dem Blick einzufangen. Ich setzte mich zu ihr, drehte die Heizung etwas höher, und blickte ebenfalls nach draußen. Abgesehen von einem Klavier, das dazu gebracht wurde, eine Melodie zu ertasten, hörte ich keinen Ton. Ich frage mich, ob es das Klavier war, das ich vor drei Wochen im Flur stehen sah.
 
Der Stille dieser Stunde, die nicht mehr ganz zur Nacht gehört aber auch noch nicht Morgenstunde genannt werden kann, haftet etwas Friedliches an. Ich sitze auf dem Fensterbrett und lese Graham Greenes Stunde der Komödianten. Anfang der 70er Jahre habe ich das Buch in Originalsprache gelesen, jetzt nehme ich es noch einmal auf Deutsch zur Hand, weil ich den Titel so, wie er übersetzt wurde, schön finde. Madame liegt neben mir auf einem Kissen, schläft und schnurrt im Schlaf. Ich spüre es als leichtes Vibrieren an meinem Schenkel.

Als die Stunde beginnt, ihre Stille und Unbestimmtheit abzuschütteln, klappe ich das Buch zu. Das Rauschen vorbeifahrender Autos wird häufiger, Frauenschritte klappern auf dem Asphalt, Stimmen transportieren Grüße. All diese Geräusche klingen verhalten, als läge der Schlaf noch auf ihnen wie eine Staubschicht. Dies ist keine Stadt, die niemals schläft.
Ich greife nach meinem Handy und tippe eine SMS an meinen Vater. Sie hat etwa den gleichen Wortlaut wie ein Telegramm, das ich Anfang des letzten Jahrhunderts an ihn übermitteln ließ: "Geht es Dir gut? Gez. Anna."
 
Ich habe eine Katze von Welt. Das heißt, ich habe sie nicht. Sie wohnt bei mir wie in einem Hotel mit Vollpension und Leckereien auf dem Kopfkissen.
Die Welt haftete noch an ihren Pfoten und bröckelte auf den Fußboden, als sie durch meine Zimmer strich, um sich umzusehen.
Ein Tisch aus dunklem Holz, ein Stuhl davor, der ihr zu hart zu sein schien. Mein Sofa gefiel ihr besser.
Sie kniff die Augen zusammen und sprang auf das Fensterbrett, galant wie im Tanze, um die Welt, die Stadt, von oben zu betrachten, die an manchen Tagen grau, an anderen Tagen bunt, an jenem Tage hell, gelb und sonnig die Augen blendete. Die Katze begann, sich in der Sonne zu baden, streckte sich aus, schnurrte und leckte sich die Welt von den Pfoten.