"Was machst du denn hier?", fragte Thorsten, der am Zapfhahn stand und Bier in ein Glas laufen ließ. Ich saß auf einem Barhocker und lächelte ihn an. Er sagte: "Du als Gast, das ist ein ungewöhnlicher Anblick."
"Die Bar ist auch ein ungewöhnlicher Anblick, von dieser Seite aus betrachtet."
"Was führt dich hierher?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Die Langeweile. Und mein Appetit auf Sing Sling. Machst du mir bitte einen?"
"Klar."
Tatsächlich hat mich weder das eine noch das andere in diese Bar geführt, sondern die Hoffnung, meinem Vater noch einmal zu begegnen und herauszufinden, was wiederum ihn zwei Tage zuvor in die Bar, in der ich arbeite, geführt hat.
Nachdem Thorsten das Bier fertiggezapft, eine Blume Schaum darauf gepflanzt und es der Kellnerin übergeben hatte, griff er nach einem Becherglas und füllte es mit Würfeleis. Als er nacheinander Zuckersirup, Zitronensaft, Gin und Kirschlikör darüber laufen ließ, juckte es mir in den Fingern, ihm die jeweilige Flasche aus der Hand zu nehmen, um den Cocktail selbst fertigzustellen. Das schien in meinem Blick zu liegen, denn Thorsten bemerkte es und lächelte mich verschmitzt an. Er reichte mir die Flasche Bénédictine mit den Worten: "Den i-Punkt kannst du selber drauf setzen."
Die Eiswürfel klackten, als Thorsten den Cocktail schüttelte, ein Geräusch, das sich für kurze Zeit mit Johnny Cashs Version von Solitary Man verband. Nachdem Thorsten meinen Singapore Sling mit Soda aufgefüllt, mit einem Trinkhalmpaar und einer Frucht am Rand versehen hatte, stellte er ihn auf den Tresen und sagte: "Schmecken lassen."
"Danke."
Ich liebe den bittersüßen Geschmack des Cocktails, der um die vorletzte Jahrhundertwende herum in Singapur geboren wurde, 1930 erstmals Erwähnung fand und geschätzte 70 Jahre jünger ist als ich. Man muss ihn schnell trinken, damit auch der letzte Schluck noch prickelt.

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