Gestern Abend war in der Bar nicht viel los. Die wenigen Gäste hatten den Anstand, nacheinander zu kommen und nacheinander zu bestellen, sodass für mich nicht eine Minute im Stress verging. Es sind jene Abende, die mir die Zeit geben, die Gäste der Bar zu beobachten, die so verschieden sind wie die Drinks auf der Karte. Es sind jene Abende, die mir die Muße erlauben, mich darüber zu freuen, einen ausgefallenen Cocktail mixen zu dürfen. Oder einen Klassiker, der schon angestaubt ist, weil er heutzutage nur selten gewünscht wird. Es sind aber auch jene Abende, an denen ich mich einsam fühle, denn unter der Woche ist nur ein Barkeeper vonnöten. Thorsten hatte frei. Um dieser Einsamkeit etwas entgegenzusetzen, ließ ich am Anfang des Abends eine Scheibe der Band Arcade Fire laufen, die Thorsten so liebt und sich von mir auch nicht beirren lässt, wenn ich ihm sage, dass es das alles schon einmal gab, und zwar besser, von David Bowie.
"David Bowie ist bekennender Arcade-Fire-Fan."
"Ich weiß. Wahrscheinlich, weil er sich geschmeichelt fühlt."
Wie auch immer. Gestern fühlte ich mich durch die Musik erinnert an das Gegenteil meiner Einsamkeit, auch wenn ich das in Thorstens Hörweite wohl niemals zugeben würde.
Eine elegante alte Dame bestellte einen Mai Tai, obwohl ich finde, dass ein Lady's Sidecar besser zu ihr gepasst hätte. Die Leute bestellen nie, wirklich nie, was zu ihnen passt. (Gut, ich muss zugeben, auch ich gehöre zu jenen Leuten. Mein favorisierter Cocktail ist nicht etwa Bloody Mary, sondern Singapore Sling.)
Einen Tisch am Fenster hatten ein Mann und eine Frau belegt, von denen ich bis jetzt nicht sagen kann, ob sie ein Paar sind, gute Freunde oder Geschwister. Er setzte den ganzen Abend über seinen Hut nicht ab, sie tippte von Zeit zu Zeit neckend an seine Krempe. Dass sie im Rollstuhl saß, bekam ich erst mit, als die beiden die Bar verließen. Cindy, die Kellnerin, hatte mit den beiden keinerlei Mühe, denn immer, wenn das Glas seiner Begleiterin leer war, ging er persönlich zur Bar, um neue Drinks zu holen. Schwarzbier für sich selbst, Manhattan für sie. Zwar nicht angestaubt, aber immerhin ein Klassiker.
11/17/2013 12:09:32 am

Hm, woran erkennt man, was für ein Cocktail zu einem paßt? Ich persönlich gehe da ja ganz pragmatisch nach Geschmack.

Antwort
Anna
11/17/2013 01:26:26 am

Das ist auch richtig so. Die eigene Sicht ist sowieso meist anders als die von außen (und wichtiger als die von außen.)
Von außen betrachtet passt aber manchmal eine elegante Cocktailschale besser zu einer eleganten Dame als ein großes Cocktailglas ;o)

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