Auch Vampire fühlen sich von Zeit zu Zeit krank.
Ich befand mich auf dem Weg zur S-Bahn, als mein Magen zu schmerzen begann, machte mir darüber aber keine Sorgen, denn ich hatte eine Stunde zuvor ein ganzes Glas Thüringer Rotwurst ausgelöffelt, davor allerdings zwei Tage lang gar kein Blut zu mir genommen. Ich schob mein Unwohlsein auf diese Abstinenz, gefolgt von einem Überfluss.
Als ich in der S-Bahn saß, wurden die Magenkrämpfe schlimmer. Ich lehnte mein Gesicht gegen die Fensterscheibe, schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Die Blässe, die mir ins Gesicht stieg, konnte ich regelrecht spüren. Einatmen, ausatmen, die Gedanken darauf fokussieren, darauf und auf die willkommene Kälte des Fensterglases. Warum hatte ich die Blutwurst nur komplett aufgegessen? Und dann auch noch so schnell? Der Gedanke daran ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Ich musste hier raus!
An der nächsten Station angekommen, setzte ich diesen Gedanken in die Tat um, jedoch nicht allein. Mein Körper, von zwei Tagen des Blutverzichts geschwächt, drohte, mich im Stich zu lassen. Mir wurde schwindelig. Gerade wollte ich mich an einer Haltestange festklammern, als ein Arm meinen Arm unterhakte, ein sicherer Griff mich auffing, aus der S-Bahn beförderte und auf eine Bank setzte.
Dankbar blickte ich den Menschen an, der mir geholfen hatte und nun neben mir saß. Mein Blick traf auf ein Paar brauner Augen und ein besorgtes Lächeln. In gebrochenem Deutsch fragte mich die Frau, ob alles in Ordnung sei. Ich schüttelte den Kopf, entrang mir aber ein schwaches Lächeln. "Das wird schon wieder."
Die Frau machte keine Anstalten, den Platz neben mir zu verlassen, Menschen liefen hektisch an uns vorbei, manche blickten uns unverhohlen an. Wir erlebten einen Augenblick, den ich trotz der Schmerzen als einen Moment der Ruhe und Geborgenheit erlebte, der, wie ein Heizpilz Wärme, die Gewissheit ausstrahlte: Alles wird gut.
Als wieder eine Welle starken Schmerzes aufflutete, atmete ich schwer und krümmte mich leicht, ich konzentrierte meine Gedanken auf meine Atemzüge und meinen Blick auf die weißen Tupfen, die das Blau des Kopftuchs der Frau zierten. Sie griff nach meiner Hand und drückte sie. Die Wärme ihrer Hand ließ mich kurz zurückzucken. Sie sagte: "Ihre Hand ..."
"Kalt, ich weiß." Das ist normal, aber das sagte ich ihr nicht. Langsam verebbte der Schmerz. Bevor er wieder aufbranden konnte, griff ich nach meinem Handy. Ich blickte die Frau an und sagte: "Vielen Dank."
"Kommen Sie zurecht?"
Ich nickte. "Ich rufe einen Freund an."
So wählte ich Thorstens Nummer, um mich, nachdem mich die Hilfe einer Fremden gerettet hatte, der Hilfe eines Freundes anzuvertrauen.

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